Brombeerdecke in einer Fläche der Interkantonalen Walddauerbeobachtung, im Sommer 2022Foto und Grafiken: IAP

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Entwicklung stickstoffliebender Störungszeiger seit 2002

Die Entwicklung von Brombeeren, Holunder und Brennnesseln während der letzten 20 Jahre wurde schweizweit untersucht. Dabei wurde die Beziehung zwischen Stickstoffdeposition und Brombeerdeckung statistisch bestätigt und eine Zunahme der Störungszeiger festgestellt.

Sven-Eric Hopf, Simon Tresch und Sabine Braun* | Pflanzensoziologische Aufnahmen können Veränderungen und Störungen im Wald aufzeigen. Besonders stickstoffliebende Pflanzen wie Brombeeren, Brennnesseln und Holunder vermögen die Naturverjüngung im Wald zu stören und müssen teilweise mit grossem Aufwand zurückgeschnitten werden. Eine erste Aufnahme von Stickstoffzeigern in der Begleitvegetation wurde im Jahr 2002 auf den Flächen der Interkantonalen Walddauerbeobachtung (WDB) durchgeführt. Heute umfasst die WDB 203 Flächen, welche durch das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) im Auftrag der Kantone AG, BL, BS, GR, SO, TG, ZH und von Umwelt Zentralschweiz (einem Zusammenschluss der Umweltfachstellen der Kantone LU, NW, OW, SZ, UR und ZG) betrieben werden. Die Flächen sind über die gesamte Schweiz verteilt und decken wichtige ökologische Gradienten (Trockenheit, Stickstoffdeposition, Bodenqualität) ab (Abbildung 1).

Landwirtschaft, Verkehr und Industrie emittieren jährlich grosse Mengen reaktiver Stickstoffverbindungen (NH3, NOx), die mit dem Regen (Nassdeposition), als Aerosole oder gasförmig (Trockendeposition) über die Luft in die Wälder gelangen (Abbildung 1). Wegen ihrer grossen Oberflächenrauheit sind Wälder eine besonders effiziente Senke für diese Verbindungen. Der Grenzwert für Stickstoffeinträge wird in 87 % der Schweizer Wälder überschritten, und zwar teilweise massiv. Stickstoff ist zwar ein wichtiger Nährstoff für die Pflanzen, hat jedoch bei zu hohen Einträgen negative Auswirkungen, etwa auf die Baumernährung. Es kommt zu Nährstoffungleichgewichten und langfristig zu Wachstumsreduktionen. Der überschüssige Stickstoff, welcher nicht durch die Vegetation aufgenommen wird, wird als Nitrat zusammen mit Nährstoffen aus dem Boden ausgewaschen. Dies führt zu einer fortschreitenden Bodenversauerung und hat weitreichende negative Auswirkungen auf den Wald, zum Beispiel eine verminderte Sturmfestigkeit.

Veränderungen in der Begleitvegetation

Durch die Einbringung von Stickstoff in den Wald werden auch stickstoffliebende Pflanzen der Bodenvegetation wie Brombeere, Brennnessel oder Holunder gefördert. Nehmen diese überhand, kann dies zu Beeinträchtigungen bei der natürlichen Waldverjüngung führen.

Die Schweizer Forstwirtschaft setzt stark auf die Naturverjüngung und eine möglichst hohe und natürliche Baumartenvielfalt. Die Umsetzung dieser Strategie wird jedoch vielerorts durch stickstoffliebende Pflanzenarten erschwert. Aufwendige und kostenintensive Pflanzungen und Pflegemassnahmen werden notwendig, um die Waldverjüngung zu sichern und die Wälder klimafit zu machen. Wird die Naturverjüngung gestört, kann dies auch negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Waldes und dessen Ökosystemleistungen haben.

Eine erste Untersuchung von Brombeeren, Holunder und Brennnesseln auf den Flächen der WDB wurde im Jahr 2002 durchgeführt. Damals wurde eine signifikante Beziehung zwischen dem Deckungsgrad der Brombeeren und der Stickstoffdeposition gefunden. Im Sommer 2022 wurden diese Aufnahmen wiederholt, um die Entwicklung dieser stickstoffliebenden Pflanzen über die letzten 20 Jahre aufzuzeigen. Dafür wurden die Deckungsgrade (prozentualer Flächenanteil) von Brombeeren, Holunder und Brennnesseln sowohl innerhalb der 203 Beobachtungsflächen als auch jeweils in einer benachbarten Störungsfläche (Holzschlag, Kalamitäten, Windwurf etc.) aufgenommen.

Stickstoffliebende Konkurrenzvegetation

Die Brombeere wurde in rund der Hälfte aller Untersuchungsflächen der WDB (in 96 von 203 Flächen) gefunden. Dabei wurden Deckungsgrade in den Untersuchungsflächen sowie in den benachbarten Störungsflächen von 0 bis 100 % gefunden (Abbildung 1).

Die 2002 beobachtete Beziehung zwischen Brombeerdecke und Stickstoffdeposition wurde in den Aufnahmen von 2022 bestätigt. Dies sowohl innerhalb der Beobachtungsfläche (Abbildung 2, links) als auch in den Störungsflächen (Abbildung 2, rechts). Die Beziehung in den Störungsflächen ist in den letzten
20 Jahren sogar deutlich stärker geworden. Eine Zunahme im Deckungsgrad der Brombeere auf Störungsflächen wird auch durch Beobachtungen auf einem beständigen Kollektiv von 96 Flächen bestätigt, während sich die Deckungsgrade in den Beständen nicht gross verändert haben (Abbildung 3).

Brennnessel und Holunder gedeihen

Die Brennnessel wurde 2022 in 11 Beobachtungsflächen und auf 52 Störungsflächen gefunden, wo sie Deckungsgrade zwischen 1 und 20 % respektive 1 und 90 % erreichte. Der Holunder kommt auf 15 Beobachtungsflächen vor, wo er Deckungsgrade von 1 bis 15 % erreicht. Auf Störungsflächen ist er mit 29 Aufnahmen etwas häufiger anzutreffen und mit Deckungsgraden von 1 bis 50 % auch stärker vertreten.

Das Vorkommen der beiden Arten weist eine grosse Streuung auf. Eine direkte Beziehung mit der Stickstoffdeposition konnte deshalb nicht nachgewiesen werden. Wenn man das Vorkommen von Holunder und Brennnessel zusammenzählt, indem nur die Anwesenheit im Inneren der Beobachtungsfläche und/oder der Störfläche gezählt wird, zeigt sich jedoch eine signifikante Beziehung von Holunder und Brennnesseln mit steigender Stickstoffdeposition (Abbildung 4). Das bedeutet, dass bei einer hohen Stickstoffdeposition in der Summe mehr Holunder und Brennnesseln gefunden wurden.

Fazit

Die Schweizer Wälder sind zum Teil hohen Stickstoffdepositionen ausgesetzt. Emissionsreduktionen an den Quellen sind daher dringend nötig. Die Zunahme stickstoffliebender Arten beeinträchtigt die Naturverjüngung und führt zu hohem Pflegeaufwand. Im Hinblick auf den Klimawandel und die damit verbundenen Störungen der Wälder steht die Schweizer Forstwirtschaft auch zukünftig vor grossen Herausforderungen. Es zählen die Schaffung und der Erhalt stabiler Bestände, gezielte Eingriffe zur Regulierung des Lichts für die Verjüngung sowie bedachtes Handeln bei Störungen.

Danksagung

Das Autorenteam dankt der Abteilung Wald des Bundesamts für Umwelt und der Stiftung Spitzenflühli für die finanzielle Unterstützung dieses Projekts. ′

 

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